
Ego vs. wahres Selbst - tatsächlich hätte mich dieser Titel vor ein paar Monaten noch überhaupt nicht angesprochen. Nicht, weil es mich nicht interessiert hätte, sondern weil ich schlicht und einfach nichts damit anzufangen gewusst hätte.
Nach unserem sehr herausfordernden Campingurlaub mit Kindern auf Korsika hat das Thema für mich aber immense Bedeutung gekriegt. Einfach weil ich das Konzept plötzlich so deutlich am eigenen Leib spüren konnte. Und für mich macht es erst Sinn, über ein Thema zu sprechen oder zu schreiben, wenn ich es verinnerlicht habe. Der Verstand versteht gewisse Dinge ja vermeintlich sehr schnell, aber bis dies wirklich ins Herz vorgedrungen ist, muss es meiner Meinung nach selber durchlebt, reflektiert und integriert worden sein.
Mich haben in den Ferien also gewisse Dinge, Menschen und Situation sehr getriggert. Und dementsprechend missmutig habe ich dann auch reagiert. Bei mir war es dann sogar soweit, dass ich bereits während dem ersten destruktiven Wort oder der ersten lieblosen Handlung bereits gemerkt habe, dass ich irgendwie von einer Instanz in mir selber gesteuert wurde, die ich nicht beherrschen konnte. Manchmal merkt man das ja schneller oder weniger schnell. Aber wirklich ausnahmslos (zumindest bei mir) stellt sich einige Momente, Minuten oder Stunden nach so einem Ereignis, bei dem ich nicht liebevoll gehandelt habe, ein gewisser Schmerz ein. Ob das Reue, schlechtes Gewissen, Trauer oder was das in diesem Moment dann auch immer sein mag. Gerade in Situation mit meinen Kindern, in denen ich mich dann einfach nicht im Griff habe, laut werde, vielleicht auch drohe oder aus Wut davon laufe, merke ich, wie niedergeschlagen ich mich danach fühle. So als hätte ich erkannt, dass ich im Moment einfach falsch gehandelt habe. Mir fällt dazu manchmal auch ein, dass ich eigentlich gar nicht so reagieren wollte, wie es gerade geschehen ist. Oder dass ich mir Gedanken mache wie "eigentlich bin ich ja gar nicht so". Wie ich vorhin schon angesprochen habe, merke ich dann jeweils, dass etwas IN mir das Ruder übernimmt und mich ganz heftig und oft gar nicht wirklich situationsentsprechend reagieren lässt.
Wenn ich sage, dass ich nicht der Situationen entsprechend reagiert habe, dann meine ich, dass es dann Reaktionen sind, die überhaupt nicht im Verhältnis stehen, zu dem was gerade passiert ist. Ich werde beispielsweise wütend, weil mein Kind nicht fertig essen will und auf dem Campingplatz lieber herumspringen möchte. Oder wenn es zu regnen beginnt und ich nass werde. Oder auch Dinge wie eine kleine, eigentlich harmlose Bemerkung eines Mitmenschen, die mich regelrecht zum Explodieren bringen könne. Und jedes Mal, wenn ich die Situation losgelöst vom Kontext betrachte, dann frage ich mich eigentlich, worüber ich mich da genau aufgeregt habe. Mein Kind ist nun mal sehr aktiv. Das ist nichts neues. Sie ist voller Energie und möchte und muss diese durch Bewegung loswerden. Sie hat genug gegessen und wir sind an einem ihr neuen und völlig anregend Ort. Mitten auf einem Campingplatz, wo andere Kinder lauthals am Spielen sind. SO WHAT, wenn sie jetzt einfach nicht mehr sitzenbleiben möchte. Aber in diesem Moment hatte mich dies völlig wütend gemacht. So wütend, dass ich laut geworden bin und meine Tochter weinen musste. Im Nachhinein frage ich mich natürlich, was uns allen meine Reaktion gebracht hat. Rein gar nichts. Sie war traurig und ich war völlig aufgelöst und wütend. Destruktive Emotionen auf beiden Seiten. Angriff auf die Liebe. Eine Tat des Ego.
Es gibt in unserem Leben doch unzählige Situationen, die ähnlich sind. Mittlerweile habe ich erkannt, dass diese vom Ego gemacht sind. Diese innere Instanz, die plötzlich die Macht übernimmt. Diese innere Instanz, die sich so sehr von alten Geschichten aus unserer Vergangenheit leiten lässt. Die Konzepte auffährt, wie wir zu reagieren haben, weil wir in der Vergangenheit gelernt haben, wie anscheinend reagiert werden muss. Alter Schmerz der aufkommt und uns triggert. All dies hindert uns daran, die Situation einfach mit der Neutralität zu betrachten, die sie eigentlich ist. Unsere ganz eigene Wahrnehmung von der Welt, die unser Ego ausmacht, übernimmt das Ruder. Aus Schutz oder aus welchem Motiv auch immer das geschieht. In ganz vielen Fällen, sind diese alten Geschichten aus der Vergangenheit aber einfach nicht mehr dienlich. Das sind auch die sogenannten Glaubenssätze, von denen man immer so viel hört. Diese Situation im Moment ist doch neu und verdient es, dass sie neutral beurteilt wird. Ob sie uns dann schlussendlich dienlich ist oder nicht, darüber kann ja frisch beurteilt werden. Aber unsere Vergangenheit und unser Ego, das uns wahrscheinlich vor irgendetwas schützen will, hindert uns daran.
Spannend ist es, wenn wir uns tagsüber mal damit befassen, wie oft wir wirklich im Hier und Jetzt sind. Also ohne, dass wir von Geschichten der Vergangenheit oder von Vorstellungen über die Zukunft beeinflusst werden. Das nüchterne Ergebnis ist meist: fast gar nicht. Wir kommen ständig an Situationen und Menschen heran, die uns an etwas erinnern, das wir mal erlebt haben und damit haben wir unbewusst bereits ein Urteil über sie gebildet. Wie schade das doch ist. Weil uns genau das daran hindert, die Wunder und all die Chancen wahrzunehmen, die sich uns für unser persönliches Wachstum tagtäglich bieten. Weil unser Ego sich so sehr darum bemüht, dass wir in alten Konzepten gefangen bleiben. Doch was ist eigentlich genau das Motiv des Egos, dass es uns so sehr in seiner Hand behalten möchte?
Stell dir mal vor, wie haben tatsächlich nur zwei Geisteshaltungen, die wir einnehmen können. Da ist einerseits die Liebe mit dem Frieden, dem Glück und der Vollkommenheit. Und anderseits die Angst, die Gefühle wie Hass, Neid, Wut und ähnliches auslöst. Wenn wir im JETZT sind und uns von absolut keiner Geschichte beeinflussen lassen, dann sind wir in unserer natürlichen Geisteshaltung, der Liebe. Einige nennen diesen Teil des Geistes auch Heiliger Geist. Wir kennen diese Haltung eigentlich alle, weil wir uns als Kinder ständig darin bewegten. Das ist diese kindliche Freude und diese Unschuld, von der immer alle sprechen. Aber auch als Erwachsene haben wir immer wieder einzelne von diesen Momenten: Wenn wir zum Beispiel berührt von absoluter Schönheit von Sonnenuntergängen sind. Oder nach dem Yoga (oder Tanzen oder Sport oder was auch immer), das uns einfach alles vergessen lässt und uns glücklich macht. Bei manchen sind es auch Situation mit den Kindern, wo man gedankenverloren spielen kann und an nichts denken muss. Oder wenn wir uns in der Natur bewegen. Einfach diese Momente, in denen wir uns in unserem wahren Selbst befinden. Solange, bis uns das Ego wieder reinkickt und irgendwelche, im Grunde belanglose Sachen erzählt. Um auf die Frage zurückzukommen, warum das Ego das dann eigentlich macht: Aus Angst, dass wir seine Masche durchschauen und ihm keine Macht über uns mehr verleihen. Weil damit würde es ausgeschalten oder zumindest klein gehalten werden. Und das wäre für unser Ego das schlimmste, was ihm passieren könnte. Wenn wir erkennen würden, dass wir eben nicht nur ein Körper mit all seinen Geschichten sind. Sondern dass wir ein wahres und heiliges Selbst sind, das all die Fülle, den Frieden und das Glück verdient hat, das uns natürlicherweise eigentlich zusteht.
Mir ist klar, dass manche Geschichten für uns sehr real wirken und schmerzhaft sind. Wir können uns auch nicht aus dem Alltag mit all ihren Tücken rausnehmen. Aber wir können uns entscheiden, dass wir dem Ego und seinen Geschichten einfach nicht mehr die Aufmerksamkeit schenken, wie wir es bis jetzt gemacht haben. Wir können uns entscheiden, dass wir das Ego als das anschauen, was es eigentlich ist: ein Mittel, das uns hilft, mit dem Verstand durch den Alltag zu kommen. Nicht mehr und nicht weniger. Und dass wir diesen Egogeschichten einfach keine Macht mehr über uns verleihen wollen. Sondern dass wir den Grossteil unseres Lebens als unser wahres Selbst leben möchten. Und mit staunenden Kinderaugen und in grösster Dankbarkeit durch die Welt und dieses Leben gehen. Und diese Einstellung wird unser Leben nachhaltig zum Positiven verändern.
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